Sie ist die Grundlage, damit wir Kinder präventiv stärken können, Zugangswege abbauen, Familien von institutionellen Hürden entlasten und die Vielfalt der vorhandenen Optionen nutzen. Das Arbeitsfeld Kinder psychisch- und suchterkrankter Eltern ist ein Querschnittsthema wie der Kinderschutz: Kein Bereich ist allein zuständig, sondern es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
Hilfen für betroffene Familien sind in unserem Sozial- und Hilfesystem durch die vielen Sozialgesetzbücher nach verschiedenen Problemlagen eingeteilt. Die meisten Angebote sind an einer bestimmten Institution angesiedelt und richten sich an einen konkreten Personenkreis und ein konkretes Thema. Einige sind vor Ort und niedrigschwellig, andere verbunden mit Fahrtwegen, Anträgen oder Wartezeiten.
Die meisten Leistungsbereiche sind nicht vernetzt, haben eigene Institutionslogiken und gesetzliche Grundlagen. Damit Hilfen jedoch für eine Familie Sinn ergeben, brauchen wir Vernetzung und intersektorale Zusammenarbeit – regelhaft, gegenfinanziert, professionell geführt.
Ich erlebe Träger, die darüber nachdenken, wie sie ganzheitlich mit dem Thema umgehen können und dies als Organisationsentwicklungsauftrag verstehen. Das ist großartig. So können Impulse von Mitarbeitenden und institutionelle Rahmenbedingungen zusammengebracht werden und neue Angebote für Familien entstehen. Manche Träger lassen sich auch als Anbieter in einem anderen Gebiet wie Jugend- oder Eingliederungshilfe anerkennen.
Viele Fachkräfte sind im Einzelfall bemüht, leistungs- und professionsübergreifend zusammenzuarbeiten. Dabei sehe ich viel Engagement, sich neue Perspektiven zu erschließen und selbstbewusst auf andere Systemakteure zuzugehen. Dazu braucht es aber auch Beharrlichkeit, Wissen um die anderen Leistungen, örtliche und zeitliche Flexibilität sowie ein Bewusstsein für den eigenen Auftrag. Durch die aktuell hohe Belastung in der Arbeit ist zu befürchten, dass dieses Engagement nicht aufrechterhalten werden kann.
In einigen Regionen in Deutschland gibt es gewachsene intersektorale Austauschgruppen oder Gremien, z.T. sogar konkrete Handlungsrichtlinien. An vielen Orten aber auch nicht. Dort ist noch viel Entwicklung auf kommunaler und Landesebene nötig. Das kann angegangen werden. Es ist höchste Zeit.
Wir müssen beachten, dass intersektorale Zusammenarbeit ein Prozess ist, der viel Ausdauer und Kreativität bedarf. Er unterliegt vielen Strukturbedingungen, Ressourcen und Kompetenzen, dass es leider nicht so schnell vorangeht, wie wir es für die Familien brauchen.
Bei der Umsetzung müssen mehrere Ebenen bedacht werden. Zunächst sollte aus der Perspektive der einzelnen Institution z.B. darüber nachgedacht werden, wie kooperativ die einzelnen Bereiche im Haus zusammenarbeiten. Gibt es ein Konzept? Wie werden die Mitarbeitenden eingesetzt? Lassen sich Vorerfahrungen integrieren?
Eine zweite Ebene ist die Fallebene. Wann und wie wird abteilungsübergreifend bzw. zwischen Institutionen fallbezogen zusammengearbeitet? Und zwar nicht nur im Sinne der zustehenden Leistungen oder eines geordneten Nacheinanders von Maßnahmen, sondern im Sinne eines gemeinsamen Fallverstehens, eines ganzheitlichen Ziels und einer abgestimmten Handlungsplanung.
Darüber hinaus stellt sich die Frage nach der strukturellen Verankerung der Zusammenarbeit. Gibt es regelhafte gemeinsame Angebote? Wie sind sie in die Versorgung integriert? Gibt es ein Rahmenkonzept für eine Kommune, ein Land? Auf dieser Ebene geht es nicht mehr um das Handeln einzelner engagierter Fachpersonen, sondern um Prinzipien, die personenunabhängig zum Standard gehören.
Wenn wir Settings schaffen, die das Thema im Titel tragen und weniger nach Berufsgruppen einteilen, reduzieren wir die Versäulung etwas - durch gemeinsame Fortbildungen, gemischte Referentenpaare usw. Wir brauchen Gelegenheiten für das berufliche Kennenlernen, fachlichen Diskurs und Netzwerkarbeit – also Möglichkeiten, Beziehung und Vertrauen wachsen zu lassen als Grundlage für Zusammenarbeit. Dafür müssen alle Bereiche Ressourcen und Verpflichtung haben.
Diese Grundlagen zu schaffen, ist Aufgabe von Verantwortlichen in Arbeitsgruppen, Politik, Verwaltung, Trägerleitungen und Verbänden. Wichtige Stakeholder müssen gewonnen und Ressourcen bereitgestellt werden. Es darf kein persönlicher Zufall sein, ob das Thema bearbeitet wird oder nicht.
Wenn wir jedoch darauf warten, dass die Politik einen geeigneten Rahmen schafft, haben wir zu viele Kinder übersehen und allein gelassen. Aus meiner Sicht kann jede einzelne Fachkraft etwas beitragen: Offenheit, Neugierde, eine Haltung des Gelingens und eine reflektierte Erwartungshaltung an die anderen. Auch wenn es kleine Schritte sind, die wir gehen, können wir mit dieser guten Energie andere Mitstreiter*innen gewinnen.